TR-adventskalender # 13

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Ho,ho,ho- Los gehts! Die Weihnachtszeit rückt näher und wir wollen euch etwas ganz besonderes präsentieren: Den ersten Adventskalender auf tramprennen.org. Jeden Tag bis Weihnachten (oder auch daüber hinaus..) gibt es für euch eine Geschichte von unserer allerallerersten Tramperfahrung! Viel Spaß mit den Geschichten und wir freuen uns riesig über weitere “Mein-erstes-Mal”-Geschichten für den Adventskalender. Schickt Eure einfach an gro.nennerpmartnull@ofni. Whoop,Whoop!

 

# 13: Lisa

Als meine erste Tramperfahrung beschreibe ich gerne das gesamte Tramprennen 2016.  Vorher bin ich noch nie mit rausgestrecktem Daumen von A noch B gereist, aber ich wollte es endlich ausprobieren. Im letzten Jahr konnte ich nicht am Rennen teilnehmen, weil Timing eben ein Arschloch sein kann, wie wir alle wissen.

Vor dem Start war ich skeptisch: Während meines Engaments für eine lokale Aktivist:innengruppe bin ich mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen, die auf der exakt gleichen Route, die ich zum Spaß bereisen wollte, Fluchterfahrungen gesammelt hatten. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, dass es für mich so viel einfacher sein würde als für sie, einfach nur weil ich im Besitz dieser speziellen kleinen Plastikkarte war, die ich tagtäglich in meinem Geldbeutel mit mir herumtrage.

Und dann war er da – mein erster Lift überhaupt. Ein Mann Mitte 50 sammelte uns an einer Tankstelle am Ortsausgang von Innsbruck ein und versprach uns zu einem besseren Spot nahe der Autobahn zu bringen. Im Nachhinein frage ich mich schon ein bisschen, warum er überhaupt für uns angehalten hat und was er wohl von uns dachte, als ich in meinem FC St. Pauli T-Shirt mit dem großen Totenkopf auf der Vorderseite so am Straßenrand stand…

Als wir nämlich mit dem oberflächlichen Geplänkel, darüber wo wir denn herkommen und wo er denn hinfährt fertig waren, befanden wir uns ziemlich schnell in einer politischen Diskussion, für die ich am frühen Morgen definitiv noch nicht bereit war. Während mein Hitchmate sich auf der Rückbank in einem Stadium irgendwo zwischen todesverkatert und einfach übermüdet befand, verbrachte ich etwa eine Stunde damit, mit unserem Fahrer über die Unterschiede zwischen deutscher und österreichischer Politik und die europäische Asylpolitik zu diskutieren. Als er schließlich sichtlich enttäuscht davon war, dass ich ihm nicht die genauen Zahlen aller Sozialhilfe beziehenden Renter:innen in Deutschland nennen konnte – und das obwohl ich doch Politikwissenschaften studiere! – war unsere Diskussion schon so aufgeheizt, dass er vergaß uns am eigentlich geplanten Spot rauszuwerfen.

Also ging es gemeinsam noch ein Stück weiter auf der Landstraße: Während ich von seiner Sturheit immer genervter wurde, schien ihm die Diskussion wirklich Spaß zu machen. Eine seiner Äußerungen, werde ich wohl so schnell nicht vergessen: Er war überzeugt davon, dass ich nur so überzeugt von dem Konzept offener Grenzen bin, weil ich ja noch so jung und unerfahren sei. Aber in zwanzig oder dreißg Jahren, sagte er, da würde sich meine Meinung bestimmt geändert haben. Das auch ich dann eine der Personen sein werde, die es problematisch findet nicht-deutsche Nachbar:innen zu haben. Dass auch ich dann Angst haben und mich um die Zukunft meiner Kinder sorgen würde, wegen all dieser geflüchteten Menschen und ihren uns unbekannten Traditionen.

Diese Aussage blieb mir eine ganze Weile im Kopf und alles, was ich dazu sagen kann, ist: Wenn das wirklich der Fall sein sollte, dann habe ich irgendwann etwas ganz furchtbar falsch gemacht! Zum Glück gelang es meinem Hitchmate an genau diesem Punkt, sich doch noch ins Gespräch einzubringen und das Thema wechselte relativ schnell zu Fußball, wo es auch blieb, bis  uns unser Lift schließlich am McDonalds in der nächsten Kleinstadt unserem Schicksal überließ.

Für den Rest dieses ersten Tramptages und den Rest des Tramprennens 2016 waren die meisten unserer Lifts freundliche und aufgeschlossene Menschen und ich bin ihnen allen sehr dankbar dafür, meine erste Tramperfahrung mitgestaltet zu haben. Und auch diesem ersten Lift bin ich dankbar, wenn auch auf eine andere Art. Er hat mir gezeigt, wie wichtig es ist für eine der Grundannehmen, die vom Tramprennen unterstützt werden, einzustehen: Grenzen für die Menschen zu schließen, die auf deren Offenheit am meisten angewiesen sind, während andere Menschen unzählige Privilegien genießen, derer sich die meisten nicht einmal bewusst sind, ist nicht, wie die Dinge funktionieren sollten. Und diese Aussage muss verbreitet werden. Deswegen, mein lieber rassistischer Fahrer aus Innsbruck, halte ruhig Ausschau nach mir – am Besten gleich nach allen, die diese Meinung teilen – Ich bin mehr als motiviert dieses Thema wieder aufzugreifen, falls wir das Vergnügen haben sollten uns ein zweites Mal zu treffen.

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