TR-Adventskalender #21

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#21: Johannes

Es ist schon fast vermessen zu sagen, dass ich per Anhalter „gereist“ bin, als ich das erste Mal beschloss meinen Daumen am Straßenrand auszustrecken und auf einen Lift zu warten.
Es war im August 2011 und ich hatte gerade mein Physik Studium in Berlin nach zwei Semestern abgebrochen – zusätzlich zu den Semesterferien somit auch noch weniger Sorgen was Hausarbeiten o.Ä. angeht. Viel Zeit also, um mal ein bisschen durch Deutschland zu reisen und Freunde zu besuchen.

Eine dieser Reisen brachte mich in die kuriose Lage, in einer Kaserne der Bundeswehrakademie in Hamburg zu übernachten. Ein guter Schulfreund hatte beschlossen für das Studium diesen, für mich nicht ganz nachvollziehbaren, Weg zu gehen. Bei meinem Besuch eröffnete er mir dann auch, dass ein Freund von ihm kürzlich ausgezogen war und sein Zimmer noch frei sei – ich hatte also ein Kasernenzimmer für mich. Was folgte, waren drei Tage mit ein paar interessanten Begegnungen und Gesprächen, sowie irritierte Reaktionen aufgrund meiner sichtlichen Nicht-Zugehörigkeit. Aber da es hier um mein erstes Mal Trampen und nicht um drei Tage in einer Bundeswehrkaserne gehen soll, gehe ich da nicht weiter ins Detail.

Nach diesen Tagen, in denen ich natürlich auch einiges von der Hamburger Stadt gesehen habe und einmal am Elbstrand komplett nass geworden bin, ohne einen Fuß ins Wasser zu setzen, ging es für mich erstmal zurück nach Berlin. Die Frage war nur noch wie. Normalerweise wäre ich zu diesem Punkt auf eine Mitfahr-Plattform gegangen, aber ich war im Abenteuer-Modus. Ich hatte Zeit, die Strecke ist gut befahren, einen Edding hatte ich auch dabei – also trampen, dass erste Mal.

Das ich überhaupt auf die Idee kam, lag vor allem daran, dass ich ein paar Monate zuvor beim Weltwassertag auf einer kleinen Demo die Leute von Viva con Agua kennengelernt hatte. Nach einigen Aktionen und Treffen viel mir schnell auf, dass trampen bei vielen von ihnen eine gängige Art des Reisens war. Für mich war es bis dahin noch mehr ein „Steig nicht bei fremden Leuten ins Auto, wer weiß was da alles passieren kann“-Gefühl. Ich war da vor allem geprägt durch die sehr behütete und misstrauische Art meiner Erziehung auf dem Thüringer Dorf.

Die Vorbereitungen waren schnell gemacht – einen alten Sherry Karton aus der Kaserne als Pappe genommen und auf Hitchwiki nachgeschaut, wo der beste Spot nach Berlin ist. Da es eine belebte Strecke ist musste ich nicht lange suchen und fand schnell den Horner Kreisel als besten Liftpoint, einen Kreisel direkt vor der Autobahnauffahrt nach Berlin. Noch schnell die Verbindung mit den Öffentlichen von der Kaserne bis dorthin gecheckt und los ging’s.

Am Kreisel angekommen, war dann auch schnell der beste Platz zum Warten gefunden. Ein guter Indikator waren dabei die Aufkleber und Schriftzüge auf einer großen Säule, die ziemlich klar darauf hinwiesen, dass man hier gut trampen kann. Für Autofahrer gab es ein paar Meter hinter der Säule eine Bushaltestelle, in der sie ohne Probleme anhalten konnten. Immer noch etwas unsicher packte ich meine Pappe aus und schrieb in großen Lettern „BERLIN“ darauf. Es folgte der Punkt, der für mich die größte Überwindung erforderte: mich einfach so mit dem Schild an die Straße stellen, freundlich gucken, Daumen raus halten und hoffen das irgendwer anhält.

So stand ich dann also da, innerlich noch unsicher ob die ganze Sache wirklich funktioniert. Doch bevor ich zwei Mal drüber nachdenken konnte hielt schon ein Mini Cooper neben mir. Etwas ungläubig, dass es so einfach gewesen sein soll, packte ich meine Sachen und ging zur Beifahrertür. Der Fahrer, geschätzt Mitte 40, sagte mir gleich, dass er nach Berlin fährt und fragte, ob ich mit will. Da mein Bauchgefühl keine Probleme mit ihm zu haben schien, warf ich meine Sachen auf den Rücksitz und stieg ein. Was folgte waren ca. drei Stunden Autofahrt mit netter Unterhaltung, einem kleinen Zwischenstopp (bei dem der Fahrer überrascht war, dass ich keine Angst hatte, dass er einfach mit meinen Sachen abhaut) und der ersten getrampten Strecke meines Lebens.

Ich würde gerne noch beschreiben, wie abenteuerlich die Fahrt war, aber alles, was es gefühlt von einer Mitfahrgelegenheit unterschied, war die Zufälligkeit am Anfang, das leere Auto und das fehlende Entgelt. Ich hatte zwar auch schon wirklich nette Mitfahrgelegenheiten aber bei diesem Lift hatte ich das Gefühl, dass die Atmosphäre allgemein gleich etwas freundlicher war, vor allem dadurch, dass der Fahrer früher selbst oft getrampt ist und somit gleich einige Geschichten erzählen konnte.

Dass es auch etwas anders laufen kann und eigentlich jede Fahrt anders ist, habe ich danach noch bei meinen vielen weiteren Reisen per Daumen erfahren. Aber was immer blieb und bleibt ist das Gefühl am Ende des Tages, neue Menschen kennengelernt zu haben.

 

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