Geschichten von der Strasse

Überschrift??? Echt mal!

[Dieser Blogeintrag wird Satz für Satz von den bisher anwesenden 8 Trampern erstellt].

 

Wir sitzen seit um zwei im Café und warten jetzt noch auf neun Teams, die am Verrecken auf den kroatischen Landstraßen sind. Stellen uns bereits seelisch auf den zusätzlichen Ruhetag ein, den dann wohl nur drei Teams haben-. [Kollektive dreckige Lache vor dem Treffpunkt in Herceg Novi]. Pizzen sind hier ebenso lecker [Wie war das mit dem Satz abwechselnd??] Dreier-Teams stellen das bisherige Ranking auf den Kopf. Grüße an K2Slow: wollt ihr euch noch oben sehn, müsst ihr die Tabelle drehen. [Ey Leute, mich stechen hier die Biester!] [Willst du was schreiben? – Nö, wunschlos glücklich!]. [Ihr habt doch Flöhe und die Krätze und sowieso!] [Es wird über Bettwanzen und Flöhe diskutiert].

 

also, drei Teams haben sie 400 Km erfolgreich bewältigt, der Rest steckt fest. Wir sind bei Euch!

Nur schnell nach Hause…

mehr wollte ich nicht, als ich mich letzte Woche auf den Weg zur Autobahn machte. Möglichst früh ankommen lautete das Ziel, denn am nächsten Morgen sollte es 8:00Uhr in den Urlaub gehen. Eigentlich sollte man in diesem Fall eine sichere und verlässliche Reisevariante wählen, aber es sind ja nur noch ein paar Wochen bis zum Tramprennen, also musste ich trainieren!

Also ab an die Autobahn und Daumen raus, doch schon der Start lief nicht so, wie gewünscht.  17:00Uhr  wollte ich am Rasthof Grunewald bei Berlin stehen, daraus wurde erst 18:00Uhr, dann 19:00Uhr und zehn vor Acht hatte ich es endlich geschafft. Ich stand am Rasthof und machte mir zum ersten mal Gedanken, dass ich, selbst wenn alles optimal laufen würde, ich also direkt in einen Direktlift nach Hause steigen würde, frühestens halb Zwölf zu Hause wäre. Klingt eher suboptimal, weswegen ich ab diesem Moment einfach aufhörte, mir Gedanken zu machen. Lieber loslegen und Leute anquatschen!

Und siehe da, gleich der Erste, ein netter junger Kerl,  war auf dem Weg nach Österreich, also die richtige Richtung. Platz hatte er dummerweise keinen, also Gute Fahrt, und man sieht sich ja bekanntlich immer zweimal im Leben. Dass sollte schneller passieren als er es für möglich hielt, denn als er 80 Minuten später am Rasthof Köckern einfuhr, stand ich längst da. Hingedüst mit Manuela, die gerade aus Tunesien zurückgekehrt war, wo sie ihren Gigolo, äh Freund, besucht hatte. Mitnehmen konnte mich der Österreichfahrer dann aber immer noch nicht, weswegen meine Fahrt hier erstmals ins Stocken geriet. Aus einem Burger zur Langeweilebekämpfung wurden drei und es kam auch noch ein Eis dazu, ehe ich nach mehr als einer Stunde endlich angesprochen wurde, wo ich denn hin möchte.

„Richtung A4 kann ich dich mitnehmen, aber ich muss vorher noch einen kleinen Abstecher machen.“ Hieß für mich: Das Einsteigen würde mir maximal 60km Weg bringen und mich dazu noch viel zu viel von der eh nicht vorhandenen Zeit kosten. Aber der Typ war cool, richtig cool sogar, und ich wollte einfach nur noch weg, also stieg ich ein. Einige alte Tramp- und Fusiongeschichten später standen wir plötzlich in Leipzig. Lag überhaupt nicht auf dem Weg, war aber witzig, denn mein Lift hatte sich in Berlin  spärlich bekleidet in einen Fotoautomaten gesetzt und stieg jetzt aus, um die entstandenen Meisterwerke seiner Freundin in den Briefkasten zu werfen. „Schau mal in deinem Briefkasten nach“ tippte er danach ins Handy, als wir längst wieder auf dem Weg zur A9 waren.

Inzwischen war es kurz vor Zwölf und ich stand immer noch an der A9,  zwar am Rasthof Osterfeld, aber die A4 und Eisenach waren das eigentliche Ziel. Herzlich begrüßt vom Tankwart musste ich hier einsehen, dass mir eine lange Nacht bevor stand. „Rischtung Ährfurt fahrense erst ab zwee wieder“, versuchte er mich aufzubauen. Egal, was solls, wenigstens hatte die Tanke 24 Stunden geöffnet. Ich mich also in den Tankstellenshop gesetzt, die beiden Kassiererinnen kennengelernt, und auf nette Menschen gewartet. Doch statt Autofahrern, die ihre Tankrechnung bezahlen mussten, betraten ausschließlich polnische und litauische Brummifahrer den Laden, die ein paar Euros für die neuen Sankt Pauli-Nachrichten oder den Spielautomaten zusammenkratzten.

Bis, ja bis plötzlich eine junge Frau den Laden betrat und nach einem Aufputschgetränk suchte. „Hey. Fährst du zufällig auf die A4 Richtung Erfurt?“  fragte ich verhalten, „Ja klar, ich fahr nach Frankfurt. Hab ich mir doch gedacht, dass ich heute noch jemanden mitnehme…“ kam die alles überragende Antwort. Einen kleinen Moment brauchte sie noch, bevor es losging und man glaubt gar nicht, wie gut ich mich in dem Moment fühlte. Es hatte geklappt, wie immer, sogar jetzt noch um die Zeit! Yes! Und zu allem Überfluss war nicht nur die Fahrt wahnsinnig entspannt, meine Fahrerin war sich auch nicht zu schade, einen zehn Km Umweg zu machen, um mich direkt vor der Haustür abzusetzen. 2:00Uhr war es dann, als ich endlich die Haustür öffnete, ab jetzt kamen  in Osterfeld wieder Autos nach Ährfurt…

 

Was passiert, wenn…

…der Letzte und der Vorletzte des Tramprennens 2010 beschließen, eine 200km Trainingseinheit über die österreichische Grenze zu einzulegen?

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  • 1.Sie treffen sich an der ungünstigen Raststelle der Strecke zum gemeinsamen Start.
  • 2.Sie entscheiden per Münzwurf, ob sie einen Kacklift annehmen oder nicht.
  • 3.Natürlich nehmen sie an.
  • 4.Sie brechen die 3 Goldenen Regeln des Trampens, die da wären:
    a) Verlasse niemals die Autobahn, bevor du nicht am Ziel bist
    b) Keine Autohöfe!!!
    c) Never trust the Locals
  • 5. Sie brechen sie alle auf einmal.
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    Aber lest selbst:
    Nach dem Münzwurf ging es gezwungenermaßen direkt auf einen Autohof, 3km entfernt von der Autobahn. Die nächste Raststelle an der Autobahn liegt lediglich 15km entfernt von uns. Dort angekommen sah es erstmal sehr gut aus, das tschechische Trucker-Duo bot uns den Lift zur besagten Raststelle an. Doch bereits nach kurzer Zeit platzte der Deal aus uns nicht wirklich ersichtlichen Gründen. Da standen wir also, konfrontiert mit einer unangenehmen Situation: Abenddämmerung, eine frustrierte Kassiererin, ein sternhagelvoller Rollerfahrer und der grundsätzlich anwesende Engländer mit dem unsichtbaren Gepäck. Flucht!

    Zurück zur Autobahnauffahrt. Wir steigen von Papp- auf Blechschilder um, die großzügigerweise schon für uns aufgestellt wurden. Lediglich kleine Korrekturen im Design waren notwendig, um unser Anliegen angemessen darzustellen. Scheinbar ist die Botschaft falsch angekommen. Stundenlanges Warten.

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    Nichts passiert…wieder nichts passiert. Wir gehen zurück zum Autohof. 23 Uhr. Papst Johannes Paul II schickt uns seinen Abgesandten. Ein Engel aus dem Jenseits. Nennen wir ihn Pawel, ein Pole auf dem Weg zur Kur. Wir zurück auf der Pole-Position. Von 15 auf 0. Die gelben Neonröhren an der Raststelle sind nach der Tortur am Autohof wieder unser Licht am Ende des Tunnels. Das zuvor gekaufte Frustbier vollzieht im Magen eine Metamorphose und entpuppt sich spätestens nach einer kleinen Explosion an der Zapfsäule als hochwertiger Treibstoff für die fehlenden 80km. Till tankt Gas und ist gegen Atomkraft. Unser Mann. Nächste Station Innsbruck. Falsche Ausfahrt, aber wenigstens verflüchtigt sich der zwei Stunden alte Angstschiss und löst sich in der frischen Alpenluft auf. Wir sind in der richtigen Stadt, doch leider an der falschen Adresse. Der uns bevorstehende Fußweg von unbekannter Länge wirkt sich nicht gerade aufbauend auf unsere Stimmung aus. Was könnte in dieser Situation hilfreicher sein als ein Krankenwagen? Richtig, der Pannendienst. Die Schöpfstraße 8 kennt er zwar nicht, aber einmal „UNI“ ins Navi tippen sollte unser Problem lösen. Gesagt, getan, schon sitzen wir im Auto. Schnell wird klar, dass der Mann nicht nur das Gebläse seiner auf 50 Grad eingestellten Klimaanlage abfeiert. Nicht einmal über den abgeflachten Bordstein des Parkplatzes hinaus gekommen, hält der Wagen und der Fensterheber wird betätigt. In diesem Moment offenbaren sich uns zwei essentielle Informationen über die Stadt Innsbruck: „50€ im Auto und 70€ auf nem Zimmer.“ War ihm aber dann scheinbar zu teuer, denn wir blieben zu Dritt und die Fahrt wurde fortgesetzt. Der Kurs änderte sich auf den folgenden 2km noch öfters und wir kommen nicht nur durch die Innenraumtemperatur des Fahrzeugs leicht ins Schwitzen. Doch am Ende verlassen auch wir die Karre unschuldig und unversehrt.

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    Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Wir sitzen bei Steffi im Garten, es ist 6 Uhr morgens und die Sonne geht auf. Wir feiern den Ausblick – auf das Inntal und die kommende Trainingsetappe nach Berlin. Panorama statt Paranoia.

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    Biber & T.R.A.M.P

Neulich auf der Straße [1]

„Jetzt mal im Ernst: Trampen ist doch voll fürn Arsch! Ich steh hier jetzt seit gefühlt zwei Stunden, langsam wird es kalt und zu essen hab ich auch nichts dabei. Und wofür mache ich das? Weil ich lächerliche 300km vorwärts kommen möchte. Das wären doch höchstens 15 Euro mit der Mitfahrgelegenheit und 30 bis 50 € im Zug. Da säße ich jetzt im Warmen und wüsste genau, dass ich bald ankomme.

Aber ich? Ich steh mit einem alten Karton an der Straße und habe langsam Schmerzen, weil ich seit einer Ewigkeit den Daumen rausstrecke. Dazu habe kommt das immer beklemmender werdende Gefühl, dass heute kein Mensch für mich anhält. Es reagiert nicht mal einer auf mein freundliches Lächeln. Das einzige was ich ernte, sind mitleidige oder verachtungsvolle Blicke. Oh mein Gott, ein Tramper!

An einer Tankstelle mag das Ganze ja in Ordnung sein, aber an der Straße ist Trampen echt das allerletzte. Du kannst nichts machen, stehst nur blöd rum und alle zehn Minuten erinnerst du dich, dass du eigentlich nach zehn Minuten dein Schild ändern oder deinen Platz wechseln wolltest. Egal, zehn Minuten versuche ich es noch! Dann ein Blick auf die Uhr: Ich stehe ja doch erst 40 Minuten, vielleicht komme ich ja heute tatsächlich noch an. Die Ernüchterung folgt beim Blick nach oben: Auto 478 und LKW 45 rasen genauso regungslos vorbei, wie ihre Vorgänger. Langsam sollte ich mir echt Gedanken machen, wo ich heute Nacht pennen kann, wenn ich hier nicht mehr wegkomme.“

Knappe drei Stunden später steige ich direkt vor meiner Haustür aus einem kleinen Wagen, habe eine wahnsinnig entspannte Fahrt hinter mir und einen richtig coolen Typen kennengelernt. Trampen, dass ist doch mit Abstand die schönste Art zu reisen!



Wilson. Die Raststelle, eine Insel.

5 Stunden nachdem Wilsons Truck die Raststätte verlassen hatte, waren neben uns lediglich einige schlafende Trucks der verbleibende Rest in der nach Kaffee und Aufbackbrötchen riechenden Parallelwelt, einer Raststelle bei Besancon. Erst jetzt, gegen 4 Uhr morgens wird uns klar, dass wir unseren Volleyball rücksichtslos und ohne Nachzudenken verstoßen hatten. Wilson. Wilson war nicht mehr da. Wilson war dort, wo wir mittlerweile gerne wären.

But – Who the fuck is Wilson?

Wilson ist der einzige Portugiese mit dem Namen Wilson.

„Wilson? OK, we call you Will“, schlagen wir Wilson beim Weg vom Toilettenhäuschen zum Parkplatz vor.
„Noooo, It’s Wilson.“

Während er das sagt, schmeißt er noch gediegen die letzten Reste seines Fast-Food Bestands in die Ecke, schiebt ein paar Zigarettenstummel vom Beifahrersitz auf den Boden und sucht auf dem Rastplatz nach einem geeigneten Mülleimer für Plastik und Karton. Nachdem wir ihm unsere Rucksäcke ins 2m hohe Führerhäuschen zugestreckten, bittet er auch uns, seine fahrende Heimat zu betreten.

Wilsons Armaturenbrett ist ein Geflecht aus Mehrfachsteckdosen, die von 4 Zigarettenanzündern gespeist werden. Laptop, Handy, Herdplatte, Rasierapparat und die automatische Zahnbürste – ein Truck braucht viel Strom.
„One sleeps in the back, one can watch porn. And I drive.“

Freundlich strahlend zeigt er auf Laptop und Bett. In der Tat, die große Liegefläche hinter den Sitzen lädt zum Verweilen ein, und auch Wilsons DVD-Sammlung würde für genug Zündstoff in den nächsten Stunden sorgen, zweifellos. Seine Begeisterung für Sprachen ist kaum zu übersehen, deutsche Wörterbücher und Sprach-CDs sind ebenfalls Teil der Ausstattung in Wilsons 5m² großen Wohnung. Wir bleiben bei Englisch, „Die.Fleischplatte.“, „Ich.habe.einen.Tisch.reserviert.für.zwei.Personen“ und „Herr.Ober.Die.Rechnung.Bitte.“ werden nach einem kurzen Versuch wohlwollend auf morgen verschoben. Wilson bleibt weiterhin voller Lerneifer. Er ist 30 Jahre alt, seit mittlerweile 7 Jahren in europaweit unterwegs, seine Freundin lebt in Lissabon, eigentlich wollte Wilson mal Polizist werden. „I was young and young people often do stupid things…“. Mit 23 Jahren hatte er betrunken und voller Liebeskummer einen Menschen totgefahren, seitdem fährt Wilson LKW.

Die letzten von Schnee bedeckten Felder ziehen an uns vorbei, die warme, nach selbstgedrehten Zigaretten riechende Lüftung und der beständig-monoton surrende Motor spielen die versöhnlichen Schlussakkorde in dem nie endenden Spiel aus Tag und Nacht. Es geht weiter.

Wilson bietet uns einen Schlafplatz hinten auf der Ladefläche seines Trucks an, ist sich aber nicht ganz sicher, ob der abgeschlossene Raum ausreichend durchlüftet ist. In 9 Stunden dürfe er weiterfahren, mitnehmen würde er uns bis Portugal. Wir steigen mit der Gewissheit aus, um 21 Uhr noch weitere Fahrer auf dem Weg nach Spanien zu finden und sind mit der heute zurückgelegten Strecke noch nicht zufrieden. Nach acht Stunden des Wartens vermissen wir Wilson auf unserer Insel, der Raststelle bei Besancon.